Sachsen-Anhalt: Lutherstadt Wittenberg (05.08.23)

Manche Städte erzählen Geschichte – Wittenberg lebt sie. In ihren Gassen liegt der Klang von Wandel, Aufbruch und Idee. Wer hier spazieren geht, geht nicht nur durch eine Altstadt – sondern durch ein Kapitel europäischer Identität.

Bekannt wurde Lutherstadt Wittenberg als Wiege der Reformation: Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche geschlagen haben – ein Akt, der nicht nur die Kirche, sondern die Welt veränderte. Noch heute wirkt der Ort, als wäre dieser Aufbruch eben erst geschehen: Die Thesentür glänzt in Bronze, der Turm ruft „Ein feste Burg ist unser Gott“, und drinnen ruhen Luther und Melanchthon unter schlichtem Gewölbe.

Aber Wittenberg ist mehr als nur ein Ort des Gedenkens. Es ist eine lebendige Altstadt, liebevoll restauriert, mit kleinen Läden, Cafés, grünen Innenhöfen und einer Weite, die Raum lässt – für Geschichte, aber auch für Gegenwart. Besonders rund um den Marktplatz mit der Stadtkirche St. Marien, der Lutherhaus-Museumsanlage und den Philipp-Melanchthon-Stätten lässt sich auf einzigartige Weise geistige Bewegung mit räumlicher Stille verbinden.

Wer sich treiben lässt, spürt: Wittenberg ist nicht nur das Gestern – sondern auch ein Ort, der Fragen stellt, die bis heute relevant sind.


Schlosskirche Wittenberg – Wo Geschichte den Atem anhält

Am Ende der Schlossstraße erhebt sie sich: würdevoll, schlicht, kraftvoll – die Schlosskirche zu Wittenberg, ein Ort, an dem europäische Geschichte sichtbar wird. Hier, an der schweren Holztür, begann 1517 ein Umbruch, der die Welt veränderte.

Als Martin Luther seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlichte, war es diese Tür, an die er sie – der Überlieferung nach – anschlug. Heute sind die Thesen als Bronzetext eingelassen, und wer davorsteht, spürt sofort: Dies ist kein Mythos. Es ist ein Ort, der spricht – still, aber eindringlich.

Die Kirche selbst wurde im 15. Jahrhundert als Teil der kurfürstlichen Residenz erbaut. Im Inneren herrscht eine ruhige Klarheit: hohe gotische Gewölbe, viel Licht, keine Überladenheit. In der Apsis ruhen Martin Luther und Philipp Melanchthon – zwei Männer, die den Lauf der Geschichte prägten, und deren Gräber ohne Prunk, aber mit großer Würde gestaltet sind.

Ob man gläubig ist oder nicht – der Aufenthalt in der Schlosskirche wirkt. Es ist, als würde die Zeit hier einmal tief Luft holen, bevor sie weiterläuft.


Schlossstraße & Coswiger Straße – Zwischen Geschichte und Alltagsleben

Wer in Wittenberg vom Schloss kommend durch das alte Stadttor tritt, landet direkt auf der Schlossstraße – einem der schönsten Abschnitte der Altstadt. Kopfsteinpflaster, Sandsteinfassaden, kleine Boutiquen, Cafés mit Stühlen draußen – es ist ein Ort, der historische Tiefe mit lebendigem Stadtgefühl verbindet.

Die Schlossstraße führt schnurgerade auf die berühmte Schlosskirche zu – mit ihrem markanten Turm, der das Stadtbild prägt. Doch trotz der großen Geschichte, die hier überall mitschwingt, wirkt die Straße offen und unaufgeregt. Menschen schlendern, Radfahrer klingeln, ein Duft von frisch gebackenen Waffeln liegt in der Luft. Wer zur Rechten schaut, entdeckt Innenhöfe, Ateliers und Buchhandlungen.

Nur wenige Schritte weiter biegt man ein in die Coswiger Straße – ein stillerer Seitenarm, der sich zwischen restaurierten Bürgerhäusern hindurchzieht. Hier ist Wittenberg weniger monumental, sondern privat, nahbar, wohnlich. Und genau das macht den Reiz aus: Zwischen weltbewegender Reformation und alltäglichem Stadtleben entsteht ein sanfter Übergang, der zeigt, dass Geschichte nicht nur in Museen wohnt – sondern auf der Straße lebt.


Marktplatz & Stadtkirche – Das Herz Wittenbergs

Der Marktplatz von Wittenberg ist weit, offen und überraschend lebendig. Hier schlägt das Herz der Stadt, eingerahmt von bunten Bürgerhäusern, Cafés, kleinen Läden – und dominiert von zwei eindrucksvollen Bauten: dem Renaissance-Rathaus mit seinem steinernen Balkon und der Stadtkirche St. Marien, die über allem thront.

Die Stadtkirche, auch „Luthers Predigtkirche“ genannt, ist die älteste Kirche der Stadt und UNESCO-Welterbe. Hier predigte Martin Luther über 2.000-mal, hier wurde die Reformation nicht nur gedacht, sondern gelebt. Von außen wirkt sie fast schlicht, doch im Inneren offenbart sich ein kunsthistorisches Juwel: der Reformationsaltar von Lucas Cranach d. Ä., reich an Symbolik und gleichzeitig berührend in seiner Klarheit.

Der Platz davor ist wie ein urbanes Wohnzimmer: Brunnen plätschern, Radfahrer ziehen vorbei, und auf den Bänken mischen sich Tourist:innen mit Einheimischen. Die Statuen von Martin Luther und Philipp Melanchthon blicken über das Geschehen – ruhig, wachsam, fast vertraut. Es ist ein Ort der Geschichte – und gleichzeitig ein Ort der Gegenwart.

Gerade an einem warmen Frühlingstag zeigt sich der Marktplatz von seiner schönsten Seite: lichtdurchflutet, offen, mit Raum zum Verweilen – und zum Spüren, dass Vergangenheit hier weiterlebt.