Karwendel: Scharnitz & Hinterautal (22.06.24)

„Die Isar im Juni ist kein Fluss – sie ist ein Element. Wild, klar, schäumend und doch voller Ruhe. Und wenn man ihr auf ihren ersten Kilometern folgt, durch das enge Tal, vorbei an Schluchten, Felsen und Schattenlicht, dann spürt man, dass hier nicht nur Wasser fließt – sondern eine Kraft, die alles mitnimmt, was zu viel ist.“

Wenn sich im Juni das Karwendel auftaut, die Hänge grün werden und das Schmelzwasser tosend ins Tal stürzt, ist die Zeit reif für eine der schönsten Talwanderungen der Region: von Scharnitz ins Hinterautal, dem Ursprung der Isarentgegen.

Der Weg beginnt am Bahnhof Scharnitz – dort, wo die Bebauung endet und das „Tor zum Karwendel“ sich öffnet. Man folgt dem Lauf der Isar, die hier noch jung, wild und klar ist. Anfangs fließt sie ruhig dahin, grünlich schimmernd durch lichten Bergwald, dann wird das Gelände rauer. In der Schluchtpassage zwischen Gleirschbach und Isarursprung zwängt sich der Fluss durch enge Felspassagen, das Wasser rauscht, Gischt steigt auf, und das Echo hallt von den Karwendelwänden zurück.

Gerade im Juni, wenn die Isar viel Wasser führt, ist dieser Abschnitt besonders eindrucksvoll. Die Felswände sind moosbewachsen, Bäume hängen über dem türkisblauen Wasser, und die Luft ist erfüllt von Wassernebel und Vogelrufen.

Der Weg ist breit, aber stellenweise steinig – immer wieder öffnen sich kleine Buchten mit Blick auf den Fluss, wo man verweilen, beobachten oder einfach nur die Kraft des Wassers spüren kann. Und irgendwann, nach rund 2,5 Stunden, steht man am offiziellen Isarursprung: eine unscheinbare Stelle, aber voller Symbolkraft. Hier beginnt ein Fluss, der durch München rauscht und bis zur Donau fließt – und doch hier, inmitten des Karwendels, so still und klar beginnt.


Scharnitz – Gleirschklamm – Zurück durch den Wald der Stille

An einem klaren Frühsommertag im Juni starte ich in Scharnitz, dem kleinen Grenzort, der sich still an die Felsen des Karwendels schmiegt. Mein Ziel: die Gleirschklamm – eine der ursprünglichsten Schluchten Tirols. Kein Trubel, keine Kassenhäuschen, kein Geländer-Glamour. Nur Wasser, Stein, Moos und ich.

Die Wanderung von Scharnitz bis zur Gleirschklamm und zurück ist rund 10 Kilometer lang, mit etwa 300 Höhenmetern. Die Tour dauert ca. 2,5 bis 3 Stunden, abhängig von Pausen und Tempo. Der Zustieg erfolgt vom Karwendeltal über einen gut ausgeschilderten Steig. Der Weg durch die Gleirschklamm erfordert Trittsicherheit und gute Schuhe, vor allem bei Nässe oder hohem Wasserstand im Juni. Die Klamm ist frei zugänglich – ein Naturerlebnis ohne Absperrung, das Respekt und Achtsamkeit verdient.

Der Weg führt zunächst entlang des breiten, geschotterten Forstwegs durch das Karwendeltal – mit Blick auf die schroffen Wände des Karwendels, wo noch letzte Schneefelder in Rinnen liegen. Nach rund 30 Minuten zweigt rechts ein unscheinbarer Pfad ab ins Gleirschtal. Hier wird es ruhiger, uriger.

Der Weg zur Gleirschklamm ist bereits ein Erlebnis für sich: Wurzeln, Waldduft, Vogelstimmen. Und dann plötzlich das Rauschen – erst fern, dann nah, dann überwältigend. Die Klamm empfängt mich mit wilder Kraft: grün-türkis schäumendes Wasser, das sich zwischen steile Felswände drängt, sprühende Gischt, glitschiger Fels, Holzstege in luftiger Höhe. Der Weg ist schmal, stellenweise ausgesetzt – aber nie gefährlich, wenn man trittsicher ist. Es ist kein Spaziergang, sondern ein Naturerlebnis.

Ich steige nicht weiter ins Tal hinein, sondern drehe um – und lasse den Rückweg wirken. Dieselben Bäume, derselbe Fluss, aber jetzt mit dem Nachklang der Schlucht im Ohr. Die Stille hinter der Klamm ist fast greifbar – als würde der Wald das Erlebte mit mir zusammen verdauen.


Isarschlucht bei Scharnitz – Wo die junge Isar wild und frei fließt

Gleich hinter dem Ort Scharnitz, dort wo die Karwendeltäler sich öffnen und die Zivilisation langsam zurücktritt, beginnt ein Stück ursprüngliche Flusslandschaft, wie man sie nur noch selten findet: die Isarschlucht.

Hier ist die Isar noch ganz jung – frisch aus dem Karwendel geboren, eiskalt, türkisgrün und ungebändigt. Schon nach wenigen Schritten vom Ortsrand entfernt spürt man, dass sich etwas verändert: Die Geräusche der Straße verblassen, das Rauschen des Wassers übernimmt.

Ein schmaler Pfad führt von Scharnitz aus entlang des rechten Isarufers, vorbei an steilen Böschungen, Kiesbänken und moosbewachsenen Felsen. Die Schlucht ist nicht spektakulär hoch, aber durch ihre Enge, das klare Wasser und die wild gewachsene Vegetation wirkt sie urzeitlich – fast so, als sei der Mensch hier noch nicht lange unterwegs.

Besonders im Frühsommer, wenn die Schneeschmelze das Wasser anschwellen lässt, zeigt die Isar hier ihre wilde Seite: sie tost durch Engstellen, formt Strudel, überspült Baumstämme. Dann wird der Spaziergang entlang der Schlucht zu einem intensiven Naturerlebnis, bei dem man oft allein ist – nur begleitet vom Wind, vom Wasser und dem eigenen Atem.