Dolomiten: Abends im Fischleintal (21.08.24)

„Das Fischleintal beeindruckt nicht mit Superlativen, sondern mit Ruhe. Es ist ein Ort, der nicht überwältigt, sondern begleitet – Schritt für Schritt, mit Blicken in die Ferne und Momenten, die man nicht fotografieren muss, um sie zu behalten. Wer hier geht, spürt sofort: Das Wesentliche ist einfach, und es liegt genau hier.“

Das Fischleintal, auf Italienisch Val Fiscalina, ist eines der ursprünglichsten und eindrucksvollsten Täler der Sextener Dolomiten. Es zweigt bei Moos (Moso), einem Ortsteil von Sexten, vom Hochpustertal ab. Das Tal zieht sich sanft ansteigend durch Wälder, Almen und Felswände bis zur Talschlusshütte (1548 m). Das Tal ist nicht nur landschaftlich bezaubernd, sondern auch historisch bedeutsam: Während des Ersten Weltkriegs verlief hier die Dolomitenfront – alte Stellungen, Stollen und Kriegswege zeugen noch heute davon. Gleichzeitig bietet das Fischleintal einen spektakulären Zugang zum UNESCO-Welterbe Dolomiten. Hervorzuheben sind hierbei die bekannten Hütten: Zsigmondy-Comici-Hütte oder Büllelejochhütte. Einige dieser Hütten sind über hochalpine Steige erreichbar.

Das Fischleintal ist eines dieser Täler, das nicht laut ist – aber lange bleibt. Eingebettet in die majestätische Kulisse der Sextener Dolomiten, zieht es sich in sanften Schwüngen von Moos bei Sexten bis zur Talschlusshütte, mit Blick auf die schroffen Gipfel von EinserkofelZwolfer und natürlich: die Drei Zinnen, die wie eine Krone über dem Tal wachen.

Schon bei der Ankunft spürt man: Hier ist die Bergwelt noch klar und unaufgeregt. Das Rauschen des Bachs begleitet jeden Schritt, Lärchen und Fichten säumen den Weg. Ob im Frühling, wenn die Wiesen aufblühen, im Sommer zur Almrosenblüte oder im Herbst, wenn sich die Lärchen golden färben – das Fischleintal hat zu jeder Jahreszeit seinen ganz eigenen Zauber.


Im Takt der Berge – Die Sextener Sonnenuhr

Die Sextener Sonnenuhr ist ein beeindruckendes Naturphänomen in den Sextener Dolomiten – und zugleich ein markantes, symbolträchtiges Bergpanorama. Sie besteht aus fünf markanten Gipfeln, die sich wie die Zacken einer gezackten Krone entlang des Fischleintals erheben: NeunerZehner (Sextner Rotwand)ElferZwölfer und Einser. Ihren Namen verdankt die Formation der Tatsache, dass die Sonne im Lauf des Tages jeweils über einem anderen Gipfel steht – und so scheinbar die Uhrzeit anzeigt.

Dieses Naturwunder ist besonders eindrucksvoll vom Fischleintal aus zu beobachten, wo die Bergreihe das Tal majestätisch abschließt. Bei klarem Wetter lassen sich die Gipfel deutlich unterscheiden, vor allem im Winter oder bei tiefstehender Sonne.


Abstieg von der Sentinelle-Scharte – Wo Stein Geschichte atmet

Die Sentinella-Scharte (Forcella della Sentinella) ist ein schmaler, hochalpiner Übergang auf rund 2.717 Metern Höhe in den Sextener Dolomiten, zwischen dem Einserkofel und der Oberbachernspitze gelegen. Sie verbindet das Fischleintal mit dem Hochkessel der Zsigmondy- und Büllelejochhütte – ein Gebiet von beeindruckender landschaftlicher und historischer Bedeutung. Während der Dolomitenfront im Ersten Weltkrieg war die Sentinella-Scharte ein strategisch bedeutender Punkt. Noch heute sind entlang der Auf- und Abstiegswege Reste alter Stellungen, Drahtseile und Kriegsrelikte sichtbar. Der Weg über die Scharte gilt als anspruchsvoll und ausgesetzt – sowohl der Aufstieg von Süden als auch der Abstieg ins Fischleintal erfordern Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und alpine Erfahrung.

Blick zur Sentinella-Scharte (Rifugio Berti)

Der Abstieg von der Sentinelle-Scharte ist kein gewöhnlicher Weg – es ist eine Zeitreise durch Dolomitenschutt, Kriegsrelikte und Bergstille. Die Forcella della Sentinella, eingebettet zwischen Einserkofel und Oberbachernspitze, war einst ein umkämpfter Punkt im Ersten Weltkrieg – heute ist sie ein stiller, rauer Pass zwischen Vergangenheit und Naturgewalt.

Nach dem Aufstieg über Geröllfelder, Stollen und gesicherte Steige öffnet sich die Scharte plötzlich – und der Blick fällt hinab ins Fischleintal, tief unten in sattem Grün, mit der Talschlusshütte wie ein Punkt im Talgrund.

Der Abstieg ist technisch fordernd: steil, schottrig, ausgesetzt, besonders bei Nässe oder Schneeresten anspruchsvoll. Jeder Schritt verlangt Konzentration – doch mit jedem Meter talwärts weicht die Anspannung einer wachsenden Ergriffenheit. Man durchquert Stellungen, Steinschluchten und Ruinen, die von einer Zeit erzählen, in der dieser Berg nicht Freiheit, sondern Front war.

Blick von der Scharte hinab ins Tal.

Unsere Erfahrung: Überrascht am Berg – Umstieg ins Fischleintal

Unsere ursprüngliche Tour sollte uns von der Berti-Hütte über die Sentinelle-Scharte führen – mit dem Ziel, über den Alpini-Steig zur Zsigmondy-Hütte zu gelangen. Was auf der Karte nach einer machbaren, spannenden Verbindung aussah, entpuppte sich unterwegs als deutlich anspruchsvoller als erwartet.

Der Aufstieg zur Scharte war steiler, schottriger und technischer als gedacht – und der Einstieg in den Alpini-Steigerwies sich als schwer auffindbar und deutlich exponierter, als wir es uns vorgestellt hatten. Wir mussten umdisponieren.

Die einzige realistische Alternative: der Abstieg über einen Klettersteig ins Fischleintal. Auch dieser Weg war fordernd, mit ausgesetzten Passagen, viel losem Gestein und großer Konzentration. Doch er führte uns sicher und mit eindrucksvollen Blicken hinunter ins Tal – vorbei an Kriegsrelikten, Felswänden und alpiner Stille.

Blick übers Anderteralpenkar (Vallon Sentinella) hoch zur Scharte. Das Bild lässt den technisch schwierigen Abschnitt deutlich erkennen.