Das Rißbachtal im Naturpark Karwendel ist zweifellos eine der herausragendsten und malerischsten Regionen der Nordalpen. Namensgeber des Tals ist der Rißbach, dessen klare Quelle im Enger Grund entspringt und eine unberührte Flusslandschaft formt. Umgeben wird das Tal von beeindruckenden Felswänden der zentralen Karwendelkette, die dem Gebiet eine majestätische Kulisse verleihen. Besonders ins Auge sticht das türkisfarbene Wasser des Rißbachs, das sich im Herbst inmitten der bunt belaubten Bäume zu einem faszinierenden Kontrast entfaltet. Mit seinen rund 30 km, ist der Rißbach ein besonderer Wildfluss, der einen einmaligen Naturraum bildet. Durch seinen Verlauf fliesst er durch wilde Uferwälde und schäumende Klammen, bis er jedoch durch ein Stauwehr über einen Stollen zum Walchensee umgeleitet wird. Dadurch ist das untere Rißtal meist trocken und die eigentliche Mündung in die Isar stellt nur eine breite Kieswüste dar.
Am 30. Oktober 2023 verhieß der Wetterbericht wechselhafte Tage, bot jedoch für den aktuellen Tag bis zum frühen Nachmittag stabiles Wetter mit einigen Sonnenstunden. Aufgrund des Sonnenstandes und der Zeitumstellung entschied ich mich, erst gegen 08:00 Uhr aufzubrechen. Mein Ziel waren die Alpen, genauer gesagt die Route über das Isartal, weiter bis nach Vorderriss und von dort aus über das malerische Rißbachtal zur Eng. Die Berge lagen noch im Morgendunst und während der Anfahrt konnte ich mir die bevorstehende, atemberaubende Kulisse der schroffen Felswände im Karwendel ausmalen. Bei recht frischen Temperaturen von etwa +5°C startete meine Tour durch diese beeindruckende Berglandschaft.
Die Beschreibung der Fototour richtet sich nach dem Verlauf der Straße im Rißbachtal. Demnach beginnt der Artikel mit dem unteren Rißbchtal und endet an den Eng-Almen. Die Aufnahmen sind nicht nach dieser Anordnung entstanden, sondern vielmehr war das erste Ziel die Eng. Erst auf dem Rückweg entstanden die meisten Bilder des Rißbaches nach Verlauf der Mautstraße. Deshalb ist auf den Bildern auch das erkennbar, wechselhafter werdende Wetter zu erkennen. Sprich je später am Tag die Aufnahmen entstanden sind, desto mehr nahm die Bewölkung zu.
Unteres Rißbachtal – von Vorderriß zur Grenze
Normalerweise, und ganz im Einklang mit dem natürlichen Verlauf, sollte der Rißbach bei Vorderriss in die Isar münden. Viele Jahrtausende lang war dies auch tatsächlich der Fall, bevor der Mensch im 20. Jahrhundert ein Wehr errichtete. Weiter oben im Rißtal wird beinahe das gesamte Wasser des Baches gestaut und abgeleitet, so dass das untere Tal die meiste Zeit trocken liegt. Dieser Talabschnitt wird auch als Rißbachgries bezeichnet – eine riesige Kies- und Schotterfläche, das ausgetrocknete Flussbett des Baches. Einst mäanderte der Rißbach in viele Zweige und mündete schlussendlich in die Isar. All dies ist heute nur bei Hochwasser zu beobachten.
Auf den ersten Blick wirkt das trockene Flussbett wie eine unwirtliche Landschaft. Dennoch wachsen hier und da vereinzelt Pionierpflanzen aus dem Kies. Des Weiteren stellt das Kiesbett eine Brutstätte für bedrohte Vogelarten dar. Hinzu kommt, dass die gesamte Region des unteren Rißtales einen Einblick in die geologische Geschichte der Nordalpen gewährt. Manche Steine weisen beispielsweise Fossilien von prähistorischen Muschelarten auf. Wenn man dem Tal weiter flussaufwärts folgt, erkennt man wuchtige Klüfte am Talrand des Flussbetts.
Halt an der Rißbachklamm
Im August besuchte ich bereits diese wunderschöne Schlucht. Zwischen der Grenzbrücke und Hinterriss erstreckt sich der wildeste Abschnitt des Rißbaches. Vom Ort Hinterriss aus verengt sich das Tal, und der Wildfluss windet sich durch eine enge Schlucht. Der erste Abschnitt wird auch als „Niederklamm“ bezeichnet.
Dort sind die Felswände noch nicht so hoch wie in der großen Klamm, dennoch beeindruckt der Flusslauf auf einzigartige Weise. Durch geschliffenes Gestein stürzt der Rißbach mehrere Stufen hinab und formt eine einzigartige Formation.
Der Pegelstand beeinflusst die Strömung und die Stromschnellen, mal stärker, mal schwächer. Ende Oktober führte der Rißbach vergleichsweise wenig Wasser, wodurch die Stromschnellen leider nicht ganz so spektakulär waren wie im August. Dennoch bot die Niederklamm ein beeindruckendes Naturspektakel. Oberhalb des Rißbaches gibt es einen Parkplatz, der direkt zur Klamm führt. Dort befindet sich auch der Ausstieg vieler Kajakfahrer. Wenn man dem Rißbach weiter flussabwärts folgt, gelangt man zur „Großen Klamm“. Bevor die Schlucht deutlich höher wird mündet der Rißbach am Ende des Katarakts in einen grünen Gumpen voller eiskalten Wasser.
Die „Große Klamm“ ist deutlich gefährlicher und imposanter als die Niederklamm. Die Felswände ragen höher empor, und die Stromschnellen gewinnen an Intensität. Die Fallstufen erreichen zunehmend größere Höhen. Am Ende der Klamm liegt der Rißbachfall, einen 6 m hohe Wasserfall, der in mehreren Fallstufen die Schlucht hinabstürzt.
Zwischen Hinterriss und der Grenze
Hinterriss verlassend ging es nun weiter flussabwärts. Zunächst breitet sich der Rißbach weit aus, bevor er durch einen engen und von Wald gesäumten Talabschnitt weiter seinen Lauf nimmt. Dieser Abschnitt zeichnete sich besonders durch die bunte Herbstfärbung der Laubbäume aus. Besonders beeindruckend war die Szenerie bei der Leckbach-Mündung, wo sich ein besonders schönes Fotomotiv bot: Ein herbstlich gefärbter Bergahorn wuchs unmittelbar am Flussufer.
Der Weg setzt sich fort in Richtung Kaiserhütte. Zwischen dem Parkplatz „Leckbach“ und der Kaiserhütte befindet sich eine besonders faszinierende Stelle, bekannt als die „Schrägen Rippen„. Für Bootsportler stellen diese Felsformationen eine anspruchsvolle Schlüsselstelle dar. Landschaftlich betrachtet sind die Rippen äußerst reizvoll, da sich das wilde Wasser des Flusses über einen Katarakt in einen kleinen Kessel ergießt, der von Felsrippen durchzogen ist.
Nachdem man den waldreicheren Talabschnitt verlassen hat, eröffnet sich die Wiesenlandschaft an der Kaiserhütte. Dort befindet sich eine kleinere Holzbrücke über den Rißbach, die zum Aufstieg zum Vorderskopf führt.
Nach der Kaiserhütte macht die Straße eine S-Kurve und überquert den Rißbach über eine Brücke. Von dort aus bietet sich ein schöner Blick auf den Bachlauf und den Beginn der Rißbachklamm.
Hinterriss
Die Ortschaft Hinterriß liegt auf 928 m über den Meeresspiegel und befindet sich etwa in der Mitte des Rißtales. Das Dorf ist die einzige, ganzjährig bewohnte Siedlung des Karwendelgebirges. 1484 wurden dort Eisenerzvorkommen entdeckt. 1544 gelangte der Bergbau in Besitz der Fugger.
Später siedelten im Ort Bergleute. Im 16. Jahrhundert erlangte der Ort mitsamt den Flusstal an Bedeutung als Jagd- und Forstgebiet. In der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte langsam der Tourismus ein. Fürst Karl zu Leiningen ließ dort ein Jagdschloss erbauen, das 1859 von Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha übernommen wurde.
Direkt an der Straße verläuft der Rißbach durch die Ortschaft. Direkt nach dem Ortseingang verengt sich der Flusslauf und bildet auf Höhe des Jagdschlosses eine tiefe, aber recht kurze Klamm. Danach verflacht die Schlucht der Rißbach wird wieder breiter.
Von der Mautstation weiter ins Karwendel hinein
Wenn man Hinterriss hinter sich lässt beginnt die wahre Wildnis des Karwendels. Vereinzelt stehen noch Almen am Wegesrand, jedoch befindet sich die nächst größere Ortsansiedlung in der Eng wieder. Hinterriss ist der einzige dauerhaft bewohnte Ort im oberen Rißbachtal. Das Karwendel zählt zu den am wenigsten besiedelten Regionen der österreichischen Alpen. Die Landschaft im oberen Tal wird deutlich rauer und wilder. Nachdem man die gebührenpflichtige Mautstation passiert hat eröffnet sich ein einzigartiger Blick auf die Hinterautal-Vomper-Kette: Am Eintritt des Johannestales reicht die Sicht bis hinauf zum Hochkarwendel.
Der Straße weiterfolgend gelangt man irgendwann an die Garberlalm. Kurz darauf überquert die Route über eine Brücke den Rißbach. Von dort schweift der Blick nach Osten zu den schroffen Felsmassiven des zentralen Karwendelgebirges, wie der Bettlerkarspitze (2268 m). Besonders ist die Szenerie mit den bunten Herbstfarben des Bergwaldes und dem kristallklaren Wasser des Rißbaches.
Nach dem überqueren der Brücke schlängelt sich die Landstraße entlang des Baches. Der Rißbach wird immer kleiner und wirft viele Schleifen. Dazwischen erstrecken sich kleinere Kiesbänke, die mit Pioniervegetation bewachsen sind. Bis zu den Hagelhütten gibt es keine offizielle Parkmöglichkeiten, so dass man diesen Flussabschnitt nur von der Straße und dem Auto ansehen konnte.
Von den Hagelhütten zum Großen Ahornboden
Die Hagelhütten erreicht schieben sich urplötzlich die wuchtigen Felswände der Hinterautal-Vomperkette hervor. Ein imposanter Anblick, der jedesmal aufs neue begeistert. Heute waren die Berge leicht angezuckert und von dicken Wolken umgeben. Ab und an spitzelt die Sonne durch. Die Temperaturen lagen bei +19°C, aufgrund des Föhnsturms im Tal.
Der Rißbach verschwindet plötzlich und die Straße verläuft durch eine weite Graslandschaft. Nach der Zeit erreicht man die einmalige Naturlandschaft des Großen Ahornbodens. Durch den Sturm waren die meisten Bäume entlaubt. Die Ahornbäume haben ein Alter von teils über 400 Jahre.
Den Ahornboden durchquert nähert man sich den Eng-Almen und dem Talabschnitt des Enger Grundes.
Ankommen im Enger Grund
Am Ende der Landstraße liegt ein sehr großer Parkplatz. Dort ging es weiter Richtung Engalmen. Die Herbstfarben erleuchten sehr bunt und die malerische Bergkulisse ergeben ein einmaliges Bild.